Im Fokus: St. Ingbert der 60er-Jahre

by

Die 60er-Jahre waren in der Bun­desre­pub­lik eine Zeit des Auf­bruchs und des Opti­mis­mus. Zwar wurde die Berlin­er Mauer gebaut (1961), und in Asien tobte der aus der All­t­agssicht viel­er Men­schen weit ent­fer­nte Viet­nam-Krieg (1955–1975), aber ins­ge­samt hat­te man das Wirtschaftswun­der 50er-Jahre im Rück­en, Stu­den­ten­be­we­gung und sex­uelle Rev­o­lu­tion ver­sprachen den Men­schen frei­heitlicheres Denken und die Film- und Musik­branche boomte. 

Im Saar­land war diese Auf­bruchsstim­mung beson­ders zu spüren, wurde es doch am 5. Juli 1959 als 11. Bun­des­land voll­w­er­tiges Mit­glied der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land. Min­is­ter­präsi­dent Franz Josef Röder verkör­perte poli­tisch das kon­ser­v­a­tiv katholis­che Welt­bild der Mehrheit der Saar­län­der. Im Bere­ich der Wirtschaft galt es nun, der Konkur­renz bun­des­deutsch­er Unternehmen standzuhal­ten. Über­all wurde gebaut, das Verkehr­swe­genetz wurde aus­geweit­et, in St. Ing­bert wurde die Auto­bahn A6 gebaut. Zwar musste die St. Ing­bert­er Grube 1957/59 schließen, doch die Mon­tanin­dus­trie stellte noch nie­mand infrage, wen­ngle­ich Erdöl nun als die Ressource der Zukun­ft galt.

Blick in die Ausstellung - © Florian Jung
Blick in die Ausstel­lung — © Flo­ri­an Jung

Erich Isen­huth doku­men­tiert St. Ing­bert durch die Linse

Diese pos­i­tive Stim­mung fan­gen die Fotos des St. Ing­bert­er Fotografen Erich Isen­huth auf. 1923 in Thürin­gen geboren kam Isen­huth nach dem Krieg an die Saar und arbeit­ete ab den 50/60er-Jahren als Presse­fo­tograf für die Saar­brück­er Lan­deszeitung, 1972 wech­selte er in die Staatskan­zlei und wurde zum ständi­gen fotografis­chen Begleit­er des Min­is­ter­präsi­den­ten. Ent­standen ist eine umfassende Samm­lung vornehm­lich doku­men­tarisch­er Fotos, die uns jedoch die Zeit der 60er-Jahre sehr gut näher brin­gen. Die Fotos, die seine Arbeit für die Staatskan­zlei abbilden, liegen im Lan­desarchiv in Saar­brück­en. Doch Isen­huth arbeit­ete auch nach Ende sein­er pro­fes­sionellen Kar­riere weit­er, seine Fotos wur­den in der Presse, in Ausstel­lun­gen und Büch­ern präsen­tiert. Schon zu Lebzeit­en ver­ma­chte Erich Isen­huth einen Großteil seines fotografis­chen Werkes an das Stadtarchiv St. Ing­bert. Er starb 2010 im Alter von fast 87 Jahren in St. Ing­bert.

Im Archiv lagern seit 2001 nun­mehr mehr als 100.000 Neg­a­tive, von denen man bei vie­len nicht ein­mal wusste, was darauf zu sehen ist. Es schien ein Fass ohne Boden, diese Samm­lung zu sortieren und für die Nach­welt zugänglich zu machen. Während der Coro­n­a­pan­demie schrieb dann die Bun­desregierung das Pro­gramm „Neustart Kul­tur“ aus, für das sich das St. Ing­bert­er Stadtarchiv bewarb und den Zuschlag bekam. Mit diesen Mit­teln hat das Team bere­its über 80.000 Neg­a­tive dig­i­tal­isiert.

Blick in die Ausstellung - © Florian Jung
Blick in die Ausstel­lung — © Flo­ri­an Jung

Einen kleinen Teil von etwa 50 Fotoabzü­gen stellt das Stadtarchiv derzeit in ein­er Ausstel­lung in der Rathaus­ga­lerie aus. Sie sind ein gutes Beispiel dafür, wie die St. Ing­bert­er in den 60er Jahren gelebt, gear­beit­et, gefeiert, getanzt und gelacht haben. Sie weck­en nicht nur Erin­nerun­gen an längst ver­gan­gene Zeit­en, son­dern sind auch für junge Men­schen ein aus­drucksstarkes Zeug­nis ihrer Heimat­stadt und damit ihrer Wurzeln. Ober­bürg­er­meis­ter Dr. Ulli Mey­er erfreut sich täglich an den inter­es­san­ten Bildern aus der Geschichte St. Ing­berts: „Das ist ein sehr span­nen­der Blick auf unsere Stadt. Vieles scheint ver­gan­gen, anderes hat sich kaum verän­dert. Wir haben mit der Dig­i­tal­isierung der Fotos Erich Isen­huths wichtige his­torische Doku­mente für die Nach­welt erhal­ten. Einen großen Dank dafür an die Mitar­beit­er des Stadtarchivs.“

Ein Besuch dieser Zeitreise lohnt sich!

Ausstel­lungsin­for­ma­tio­nen
Ausstel­lung bis 26. August 2022
Rathaus­ga­lerie im 1. Stock
Öff­nungszeit­en: Mo, Di, Mi von 8.00 bis 16.00 Uhr, Do von 8.00 bis 18.00 Uhr, Fr von 8.00 bis 12.00 Uhr
Der Ein­tritt ist kosten­los

You may also like